Frühkindliche Reflexe und Reaktionen

Seit Ende der 90er Jahre werden die frühkindlichen Reflexe mit Lernen und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht.

Diese These hat sich etabliert und verselbstständigt. Es werden viele Behandlungsansätze beziehungsweise Förderungen aufgrund persistierender frühkindlicher Reflexe bei neurophysiologischen Entwicklungsverzögerungen angeboten. Warum diese bis zum heutigen Tage in großen Teilen von medizinisch/ therapeutischer Seite nicht unterstützt werden, lässt sich erklären.

Frühkindliche Reflexe zeigen sich bei einem Neugeborenen. Zu unterscheiden sind die physiologischen frühkindlichen Reflexe zu den tonischen – bei konstanter Ausprägung pathologischen – Reflexen und tonischen Reaktionen.

Zunächst ist es wichtig, die einzelnen Begriffe und Begrifflichkeiten zu beschreiben:

Reflexe sind unwillkürliche, rasche und stets gleiche neuronal gesteuerte Reaktionen auf einen Reiz. Der Reflex zeigt stets eine identische Reaktion und Reaktionsablauf auf gleichartige Reizauslösungen. Der Reaktionsablauf variiert lediglich in der jeweiligen Intensität, in Schnelligkeit oder Heftigkeit.

Beispiel: Lidschlussreflex, Patellarsehnenreflex

Reaktionen sind inkonstante und variierende Mitbewegungen des Körpers oder einzelner Gliedmaßen auf eine Kopfbewegung oder auf einen Reiz. Sie können neuronal auf Hirnstammebene bestehen und in extremen Stress- oder Risikosituationen sichtbar werden.

Eine unreife oder eingeschränkte Kopfbeweglichkeit kann zu Mitbewegungen in Form tonischer Reaktionen beobachtet werden.

Frühkindliche Reflexe

FRÜHKINDLICHE (Primitive) Reflexe sind die Basis – oder spinalen Reaktionen, die durch die ältesten Hirnareale im Hirnstamm aktiviert werden und nur in den ersten 3 Monaten auslösbar sein sollten.

Beispiele:

Eine Berührung des Mundwinkels mit dem Finger o.ä. bewirkt, dass das Neugeborene seinen Kopf zu der Seite der Reizsetzung dreht. Der Reflex ist unmittelbar nach der Geburt vorhanden und bleibt in abschwächender Form maximal bis zum 3. Lebensmonat erhalten.

Saugen und schlucken zeigt sich in Kombination. Ein Druck an der Oberlippe führt zu einer Zungenbewegung nach vorn mit anschließendem Saugen und Schlucken. Der Reflex ist ebenfalls nach der Geburt vorhanden und bis zum 4.-5. Lebensmonat nachweisbar.

Beide Zeigefinger werden von ulnar in die Handflächen des Neugeborenen gelegt, ohne dabei den Handrücken zu berühren. Als Reflexantwort beugen sich die Finger, beginnend mit 3,4,5 nahezu gleichzeitig, dann der Zeigefinger und zuletzt der Daumen. Das Neugeborene zeigt eine deutliche Ausprägung, die in den kommenden Wochen geringer wird und mit 3 Monaten nicht mehr ausgelöst werden sollte.

Mit dem Daumen wird ein Druck auf den Fußballen gegeben. In der Folge kommt es zu einer tonischen Flexion und Adduktion der Zehen. Der Fußgreifreflex wird mit dem freien Stehen überformt und sollte spätestens in diesem Stadium nicht mehr auflösbar sein.

Das Neugeborene wird über einen Tisch oder eine Bank gehalten. Wird auf ein Bein mehr Belastung gegeben, beugt sich dieses Bein und das nicht belastete Bein streckt sich. Es folgt daraus ein automatisches Schreiten. Nachweisbar von Geburt bis zum 2. Lebensmonat.

Diese frühkindlichen Reflexe sind physiologisch und nach der Geburt vorhanden. Es gibt noch weitere frühkindliche Reflexe, die hier nicht aufgeführt sind. Die Untersuchung der Reflexe beim Neugeborenen und in den ersten Lebenswochen geben wichtige Anhaltspunkte über den Gesundheitszustand des Säuglings.

(Frühkindliche) Tonische Reflexe

Moro Reflex, Asymmetrischer Tonischer Nackenreflex (ATNR), 
Tonischer Labyrinthreflex (TLR), symmetrisch tonsicher Nackenreflex (STNR)

Im Gegensatz zu den physiologischen frühkindlichen Reflexen sollten die tonischen Reflexe nach der Geburt nicht auslösbar sein. Die Untersuchung des Neugeborenen und in den ersten Lebenswochen gibt auch hier einen wichtigen Anhaltspunkt über den Gesundheitszustand des Kindes.


Nach Vojta und Ambühl-Stamm:

  • sind alle tonischen Nackenreflexe, ATNR, STNR und TLR bei konstanter und voller Ausprägung sofort nach der Geburt als pathologisch zu bewerten.
  • eine inkonstante und schwache Ausprägung des ATNR kann maximal in den ersten 4 Wochen persistieren.
  • der TLR ist immer pathologisch.

Frühkindliche tonische Reaktionen

Die tonischen Reflexe sind pathologisch, aber es gibt durchaus tonische Reaktionen, die zu beobachten sind und im Gegensatz zu den Reflexen nicht pathologisch sind, aber dennoch zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können. Die bekanntesten tonischen Reaktionen werden vorgestellt und erklärt, warum bestehende frühkindliche unkontrollierte Bewegungsmuster in allen Altersstufen zu Schwierigkeiten in der Motorik, im Lernen und Verhalten führen können.

Beispiele:

Eine tonische Reaktion ähnlich einer Moro Reaktion kann als beteiligt angesehen werden bei erhöhter Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit, allgemein niedriger Stressschwelle und schneller sensorischer Überladung sowie bei unangemessen starken Reaktionen auf geringfügige Anlässe; ebenfalls auch bei sozialem Rückzugsverhalten, Schüchternheit und der Schwierigkeit, sich in unbekannten Situationen verbal zu artikulieren.

Weitere Informationen zur Moro Reaktion…

Eine tonische Reaktion ähnlich einer Tonischen Labyrinth Reaktion erschwert in Form von Restreaktionen maßgeblich die Aufrichtung und die Gleichgewichtsentwicklung. Eine Veränderung der Kopfstellung nach vorne oder hinten bewirkt eine unwillkürliche Muskelveränderung, die das Gleichgewichtszentrum irritiert und verstärkte kompensatorische Ausgleichsbewegungen erfordert.

Weitere Informationen zum TLR-Reaktion…

Bleibt eine Kopfbewegung in Form einer tonischen Restreaktion bestehen, werden diese motorischen Unreifen bei Problemen in der Auge-Hand-Koordination (Feinmotorik / Schrift) und der Okulomotorik (fließende Augenfolgebewegungen, wie sie beispielsweise für das Lesen und Abschreiben erforderlich sind) als beteiligt angesehen. Eine tonische Dysregulation erschwert das Überkreuzen der Körpermittellinie und damit fließende Überkreuzmuster in allen Bewegungsabläufen.

Weitere Informationen zur Fechterstellung…

Tonische Bewegungsmuster ähnlich einer Symmetrisch Tonischen Nacken Reaktion erschweren ebenfalls die Aufrichtung. Hierbei geht es um eine Dysregulation zwischen der oberen und unteren Körperhälfte. Tonische Restreaktionen führen zu einer schwachen Körperhaltung und beeinflussen die Auge-Hand-Koordination, Konvergenz und visuelle Wahrnehmung.

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